Pfefferland... mit
einem starken, nicht ganz bruchlosen Erstling. Der frühere Cellist
und Sänger von Patent Ochsner, Philippe Stalder, hat sich drei Jahre
Zeit gelassen, um sein wortstarkes Dialekt-Soloalbum mit einer
gegensätzlichen Mischung aus Folk, Pop, Ethno, Volkstümlichem und
Jazzigem fertig zu stellen: Eine vielschichtige, wohl klingende 'Winterplatte',
wie der Berner Musiker im SMN-Gespräch erläutert.
FH:
Wie waren denn die ersten Reaktionen auf «Wohlium 1»?
Philippe Stalder: Das Medienecho war bis jetzt positiv. Die meisten Leute
stellen wohl zu Recht fest, dass es sich hierbei um ein ‚schönes‘ Album
handelt, das man aber zwei- bis dreimal hören muss, um seine wirkliche Tiefe
zu finden. Tatsächlich handelt es sich ja nicht um eine ‚schnelle Platte‘.
FH: Mit dem genauen Zuhören verlangst Du den Leuten aber auch etwas ab, das
in unserer Zeit nicht selbstverständlich ist.
Philippe Stalder: Klar, das ist meine Absicht. Mich interessieren Wechsel
und Brüche, die kleinen Dinge, die irgendwie nicht ganz stimmen. Manche
meiner Geschichten fangen harmlos an und steigern sich in diese Dimensionen,
decken Widersprüchliches auf.
FH: Dieses Vorgehen scheint sich auf der musikalischen Ebene zu spiegeln, wo
ganz unterschiedliche Genres aufeinander stossen und Brüche verursachen.
Philippe Stalder: So ist es. Ich denke, dass bestimmte Texte auch bestimmte
Formen beanspruchen – und umgekehrt. Ich entwickle meine Ideen gleichzeitig
auf der musikalischen und textlichen Ebene. Das geht Hand in Hand.
FH: Auf «Wohlium 1» gibt es durchaus rockige, melodiöse, ja lüpfige Songs.
Es überwiegen aber melancholische Lieder, darunter solche mit Titeln wie «Friedhof»,
«Advent» oder «Chalet Heimelig». Habt ihr einen Longplayer für die
bedächtige Winterzeit gemacht?
Philippe Stalder: Eindeutig. Nachdem die zwölf Songs im Kasten waren, habe
ich selber gemerkt, dass dies eine Winterplatte wird. Erst wollte ich dies
mit der Zugabe von fröhlichen Songs brechen, doch habe ich mich dann doch
für die Beibehaltung des Spannungsbogens entschieden.
FH: Woher denn diese eher traurige Grundstimmung?
Philippe Stalder: Ich bin nicht depressiv, mir geht es gut. «Wohlium 1»
dokumentiert vielmehr meine nachdenkliche Haltung. Ich setzte mich mit
vielen Dingen vertieft auseinander.
FH: Du textest die Songs alle selber. Woher holst Du die Inspirationen?
Philippe Stalder: Aus der Ruhe. Ich suche die meditative Stille oder die
Abgeschiedenheit, zum Beispiel bei einem Waldlauf. Hektik und Aktivitäten
rund um mich herum behindern meinen kreativen Prozess eher.
FH: Ist das nicht hinderlich für das Teamwork? Du hast das Album ja nicht
alleine eingespielt.
Philippe Stalder: Der Keyboarder Alex Paeffgen war in der Entstehungsphase
gleichzeitig mein Gegenpol und meine Ergänzung. Was ich chaotisch lieferte,
brachte er in eine strukturierte Form. Wir haben hier sehr von den
Möglichkeiten der computergestützten Arbeit profitiert. Die Stücke tönen
überhaupt nicht danach, denn später wurden sie mit echten Musikern gespielt,
doch hatte ich hier mein Aha-Erlebnis, was man heute auf diese Weise alles
machen kann.
FH: «Wohlium 1» wird als Soloalbum eines Ex-Musikers von Patent Ochsner
angepriesen. Was sagst Du selber zur so betonten Verbindung zu Deiner
Herkunftsgruppe?
Philippe Stalder: Das ist eine zweischneidige Angelegenheit. Einerseits
zieht das als Verkaufsargument bei denen, die mich nicht kennen und löst
auch einiges Medieninteresse aus. Andererseits fühle ich mich mit Patent
Ochsner heute nicht mehr verbunden, obschon es gelegentlich zur
Zusammenarbeit kommt. Es ist nun einfach so, dass über diese Band mein
Cellospiel so bekannt geworden ist – keine andere Gruppe gab diesem
Instrument so prominent Raum. Daher ist die musikalische Nähe zwischen uns
vorgegeben.
FH:
Wie bist Du übrigens auf den Namen Pfefferland gekommen? Er verspricht
Schärfe, Würze und rassig Riskantes – Dinge die nicht unbedingt zum
Hauptinhalt von «Wohlium 1» zählen...
Philippe Stalder: Da schwingen viele Sachen mit hinein. Ich sehe es zum
Beispiel als Referenz an die beeindruckende Insel Madagaskar, wo ich
tatsächliche Pfeffer habe wachsen sehen. Früher wünschte man jemanden ins
Pfefferland, also in die unbekannte Ferne. Heute sind die durch uns
kolonialisierten Pfefferländer ja gesuchte Feriendestinationen – was die
Frage nach der Ausbeutung aufwirft. Das gilt auch für die Musik, liefern uns
Afrika und Drittweltländer doch pausenlos Inspiration. So gesehen, verweist
unser Bandname auf eine differenzierte kulturelle Situation.
FH: Wie geht es weiter mit Dir und Deiner Band?
Philippe Stalder: Wir arbeiten bereits an einem zweiten Album. So wie es
sich abzeichnet, wird das diesmal eine reine Sommerplatte...
Interview: Frank Hänecke
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